Teil A – Zum allgemeinen Verständnis

Südwestdeutscher Sprachatlas

Der Südwestdeutsche Sprachatlas (SSA) wurde in den Jahren 1974-2013 am Deutschen Seminar der Universität Freiburg erarbeitet. Seine Aufgabe ist es, die Mundarten im Südwesten Deutschlands zu erkunden und darzustellen. Zu diesem Zweck wurden in einem Gebiet zwischen Karlsruhe – Ulm – Lindau – Lörrach in ca. 600 Orten Sprachaufnahmen durchgeführt. MitarbeiterInnen des Projekts (ExploratorIn) besuchten pro Ort 1-3 Gewährspersonen, die kompetent über ihre Mundart Auskunft geben konnten. Je Ort wurden ca. 2000 Fragen aus einem Fragebuch gestellt. Die Antworten wurden in einer speziellen Lautschrift notiert. Sie bildeten die Grundlage für die Sprachkarten.

Der SSA hat folgende angrenzende bzw. überlagernde Nachbarunternehmen:

Atlas Linguistique de'l Alsace
Mittelrheinischer Sprachatlas
Sprachatlas von Nord Baden-Württemberg
Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben
Vorarlberger Sprachatlas
Sprachatlas der deutschen Schweiz

Sprachaufnahmen

Gesprochene Sprache ist ein flüchtiges Medium. Sie lässt sich einerseits in der normierten Standardsprache schriftlich festhalten, andererseits zeigen sich aber im deutschen Sprachraum deutliche Abweichungen von der Norm, so dass man andere Formen der Fixierung des Gesprochenen braucht. Die Abweichungen sind meist auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, das dann beim Zusammentreffen mehrerer solcher Abweichungen als 'Dialekt' oder 'Mundart' bezeichnet wird. Die Aufzeichnung solcher Mundarten erfolgt schriftlich und/oder mit Aufnahmen in Bild und Ton. Obwohl sich heute die technischen Möglichkeiten für Letzteres wesentlich entwickelt haben, werden mundartliche Sprachaufnahmen immer noch von ExploratorInnen 'live' bei Gewährspersonen in Schriftform durchgeführt. Grund ist die gezielte Heraushebung des sprachwissenschaftlich gesuchten Items und dessen Erfassung in einer phonetisch genauen Transkription. Moderne Sprachaufnahmen benutzen auch das Internet, um an Informationen zu kommen. Problematisch bleibt dabei allerdings die Bewertung der Validität der gesammelten Daten.

ExploratorIn

Als ExploratorIn bezeichnet man eine geschulte Fachkraft, die – meist sprachliche – Informationen bei einer Gewährsperson erhebt. Aufgabe der ExploratorInnen ist dabei im Wesentlichen das Abfragen eines Fragebuchs und das Festhalten der Antworten in einer sprachwissenschaftlichen Transkription. Als solche werden heute vor allem zwei Systeme genutzt: das IPA (= Internationales Phonetisches Alphabet) und Teuthonista. IPA zeichnet sich durch seine Internationalität aus, habe jedoch bei der handschriftlichen Anwendung gewisse Nachteile. Teuthonista (benannt nach einer dialektologischen Zeitschrift) sei schriftlich leichter zu handhaben und biete höhere Differenzierungsmöglichkeiten. ExploratorInnen müssen darüber hinaus über eine genaue Kenntnis der sprachwissenschaftlichen Fragestellungen verfügen, die in den einzelnen Fragen eines Fragebuchs enthalten sind.

Gewährsperson

Gewährspersonen für mundartliche Erhebungen sind in der Regel am Ort geboren, für den sie befragt werden. Die Frauen und Männer werden meist in Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung ausgewählt, sollten kompetent in ihrer Mundart sein, nach Möglichkeit nicht länger auswärts gelebt haben, in einem bestimmten, für den jeweiligen Erhebungszweck passenden Alter und geistig entsprechend mobil sein. Aus der auf Dialekte ausgerichteten Fragestellung ergibt sich für Flächenuntersuchungen (im Gegensatz zu vertiefenden Ortserhebungen), dass die Gewährspersonen eher einem bäuerlichen/handwerklichen Milieu entstammen werden.

Fragebuch

Das Fragebuch zum Südwestdeutschen Sprachatlas steht in enger Verwandtschaft zum Fragebuch des Sprachatlas der deutschen Schweiz. Es enthält ca. 2000 Fragen aus allen Bereichen des täglichen Lebens. Es wurden die Bezeichnungen für bestimmte Gegenstände und Geräte ebenso abgefragt wie die Benennung von Vorgängen und Tätigkeiten (z.B. Heuernte, Brotbacken etc.). Je nachdem, welche sprachwissenschaftliche 'Spezialität' hinter einer Frage steckt, diente sie später zur Herstellung einer Sprachkarte, die ein bestimmtes sprachliches Problem thematisierte. Das Fragebuch ist zur Gänze im 2. Band der 'Einleitung zum Südwestdeutschen Sprachatlas' publiziert.

Sprachkarte

Eine Sprachkarte zeigt ein geographisch abgegrenztes Gebiet, in dem möglichst ortsgenau angezeigt wird, wie sprachliche Erscheinungen im Raum verteilt sind. Eine klassische Anwendung sind die phonetisch-/phonologischen Karten, in denen Unterschiede der lautlichen Aussprache dargestellt werden (z.B. Muus/Maus 'Maus'). Andere räumlich auftretende Unterschiede, die auf Sprachkarten anzeigbar sind, zählen zur Wortgeographie (z.B. 'Erdäpfel' vs. 'Grumbiire' vs.'Herdäpfel' etc.) oder zur Morphologie (z.B. Verbalplural 'mir gen', 'ihr gen', 'sie gen' vs. 'mir gen', 'ihr get', 'sie gen' etc.).

Teil B – Zum Verständnis der Eingangsseite

Aufbau und Nummerierung einer Fragebuchseite

Eine normale Seite des Fragebuches folgt dem Schema:
• Kopfzeile
• Teil mit Lineatur
• Teile ohne Lineatur

In der Kopfzeile stehen – eingestempelt – Planquadrat und Ortsname der Aufnahme sowie die Seitenzahl. Die Seitenzahl bezeichnet nur die geradzahligen Seiten, die ungeradzahligen sind unbezeichnet, aber in der gescannten Fassung vorhanden, da (in seltenen Fällen) von den ExploratorInnen auch die Rückseiten für Ergänzungen, Zeichnungen und Kommentare genutzt wurden.

Im Teil mit Lineatur befindet sich links der vorformulierte Fragetext. Rechts im Kästchen ist durch Abkürzungen vermerkt, welche linguistischen Schwerpunkte die Frage hat:

• PH = Phonologie
• MO = Morphologie
• WO = Wortgeographie
• BE = Bedeutung
• PA = Paradigma
• SZ = soziologische Schichtung
• SY = Syntax
• NA = Namenkunde

Unterhalb des Fragetextes, meist eingeschlossen in Schrägstriche, finden sich die 'Suggerierformen'. Bei ihnen handelt es sich um alternative Ausdrücke mit denen das Erfragte im Untersuchungsgebiet bezeichnet sein könnte. Rechts von den Fragen, aber innerhalb der Lineatur findet sich der leere Platz für die handschriftlichen Eintragungen der ExploratorInnen.
Im Teil ohne Lineatur kommen solche Eintragungen zu stehen, die entweder im linierten Teil keinen Platz mehr gefunden haben, oder die als Spontanbelege zu bewerten sind. Spontanbelege stammen aus der spontanen Konversation der ExploratorIn mit der Gewährsperson.

Planquadrat

Bei der Planung des Südwestdeutschen Sprachatlasses in den Jahren 1972-1975 wurde festgelegt, dass ca. ein Drittel der damals selbständigen Gemeinden Südbadens und Südwürttembergs erhoben werden sollten. Das ergab eine Zahl von ca. 600 Aufnahmen, die möglichst gleichmäßig über das Gebiet des Atlasses verteilt sein sollten. Es wurde daher ein Gitternetz über das Gebiet gelegt. Die Kantenlänge eine Planquadrats betrug ca. 7 km. In jedem Planquadrat sollte eine Ortsaufnahme gemacht werden. In einigen Fällen wurde von diesem Prinzip abgewichen (z.B. bei den Stadtaufnahmen) Im publizierten Atlas wurde sie ersetzt durch die Landkreissigle.
Im 2. Band der 'Einleitung zum Südwestdeutschen Sprachatlas' ist eine Liste aller im Atlas publizierten Aufnahmeorte, geordnet nach Landkreisen, erschienen.

Landkreissigle

Dem Vorbild des Sprachatlas der deutschen Schweiz folgend, wurden die Aufnahmen des SSA nach Landkreisen (Schweiz: Kantone) zusammengefasst und mit dem Autokennzeichen des Landkreises (z.B. FR, OG etc.) und einer fortlaufenden Nummer bezeichnet, die im Landkreis von Nordwest nach Südost voranschreitet. Zu beachten ist, dass die Landkreissigle in den Fällen, in denen mehrere Aufnahmen am selben Ort gemacht wurden (z.B. Calw, CW 11, 3 Aufnahmen) durch Zusätze wie ('Aufn. 1' oder '11/1' ) vereindeutigt werden muss.

Bemerkung

Im Feld 'Bemerkung' ist die Länge der Aufnahme in Seiten vermerkt. Diese Zahl schwankt, meist in Abhängigkeit von der Angabe im Feld 'Typ'.
Ferner erscheinen Angaben wie 'Nacherhebung' oder 'Weinbau/Fischerei', wenn zusätzlich zum Fragebuch auch das Nacherhebungsfragebuch oder das Fragebuch für Weinbau und Fischerei abgefragt wurden.

Typ

Im Feld 'Typ' wird festgehalten, welche Fassung des Fragebuchs in dem Ort abgefragt wurde.

• SCHWZ Fragebuch des Sprachatlas der deutschen Schweiz
• TIROL Fragebuch des Vorarlberger Sprachatlas
• PROBE Probefragebuch des SSA
• SSA74 Erste Fassung des Fragebuchs zum SSA
• SSA00 Erste revidierte Fassung
• SSA01 Zweite revidierte Fassung
Die Fragebücher SCHWZ und TIROL wurden so lange eingesetzt, bis ein vorläufiges Fragebuch für das Untersuchungsgebiet erarbeitet war (ca. 1973/74). Mit diesem PROBE-Fragebuch konnten dann die Fragen validiert werden, die endgültig ins Fragebuch des SSA aufgenommen werden sollten. Dieses bekam die Bezeichnung SSA74 und wurde erstmals in der Aufnahmesaison 1974/75 eingesetzt. Im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung der ExploratorInnen zeigten sich mehr und mehr Stellen im Fragebuch, die abzuändern waren, sei es, dass sich ganze Frageblöcke mit den bis dahin formulierten Fragen nicht erfassen ließen (z.B. das Kapitel 'Äxte'), oder sei es, dass einzelne Fragen Antwortvarianten zeigten, die zuvor unbekannt waren oder gar ganze Ausdrücke als Frage aufgenommen werden mussten, deren Wichtigkeit bis dahin unerkannt war. Alle Änderungen wurden in zwei Revisionen des Fragebuchs zusammengefasst, so dass zum Schluss der Aufnahmekampagne ein Nacherhebungsfragebuch notwendig wurde, mit dem die frühen Aufnahmen auf den Stand der SSA01-Aufnahmen gehoben wurden.

Explorator

Das Feld 'Explorator' gibt an, wer die jeweilige Ortsaufnahme erhoben hat. Die Angaben finden sich auch kartographiert auf der Folie, die dem Sprachatlas beiliegt. Genaue Angaben zur jeweiligen Ortschaft finden sich auch im 2. Band der 'Einleitung zum Südwestdeutschen Sprachatlas'.

Band

Das Fragebuch bestand aus arbeitspraktischen Gründen aus zwei Bänden. Separat gebunden waren das Ergänzungsfragebuch 'Weinbau/Fischerei' sowie das Nacherhebungsfragebuch. Die Angabe 'Band' bezieht sich auf diese Einheiten.

Teil C – Bibliographische Angaben zum Südwestdeutschen Sprachatlas

Schupp, Volker et al. (Hgg.) (1989-2013). Südwestdeutscher Sprachatlas. Karten, Lieferung 1-10. Kommentare, Lieferung 1-4. Register. Ausgewählte Tonaufnahmen. Marburg.

Steger, Hugo/Schupp, Volker (Hgg.) (1993). Einleitung zum Südwestdeutschen Sprachatlas. Bd. I. Marburg.

dit. (1998). Einleitung zum Südwestdeutschen Sprachatlas. Bd. II. Marburg.